
Softwareerstellung: Kann der Kunde die Herausgabe des Quellcodes verlangen?
Softwareerstellung & Recht
Praktisch häufig sind rechtliche Streitigkeiten zwischen Softwarehersteller und Kunde wegen der Herausgabe des Quellcodes. Nachfolgend einige Infos, wann der Kunde den Quellcode herausverlangen kann. Und wie Sie den Konfliktfall im Vorfeld vermeiden.
Die vertragliche Vereinbarung
Haben die Parteien die Herausgabe des Quellcodes ausdrücklich vertraglich vereinbart, liegt eine Herausgabepflicht des Softwareherstellers auf der Hand. Im Arbeitsverhältnis regelt § 69b UrhG die Herausgabe des Quellcodes: Der Quellcode steht grundsätzlich dem Arbeitgeber zu. Was aber, wenn keine vertragliche Vereinbarung existiert? Dann ist der Konflikt vorprogrammiert. Richtigerweise ist hier nach der Art der Software zu unterscheiden.
Die Standardsoftware
Nach h.M. besteht bei Standardsoftware kein Anspruch des Kunden auf Herausgabe des Quellcodes, wenn die Herausgabe nicht ausdrücklich vereinbart wird (OLG München, Urt. v. 16.07.1991, Az. 25 U 2586/91) . Dies ist auch nachvollziehbar: Wäre der Softwarehersteller auch ohne entsprechende Vereinbarung gezwungen, den Quellcode an den Kunden herauszugeben, wäre er sämtlicher Verwertungsmöglichkeiten für die Zukunft beraubt. Nach Ansicht des OLG München werde das berechtigte Interesse dadurch befriedigt, dass der Kunde einen Wartungsvertrag abschließen könne.
Die Individualsoftware
Bei Individualsoftware sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und eine Interessensabwägung vorzunehmen (BGH, Urt. v. 16.12.2003, X ZR 129/01). Nach der sog. Zweckübertragungsregel wird man dann einen Herausgabeanspruch des Kunden annehmen können, wenn die Herausgabe zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Software (z.B. zur Anpassung an eigene Softwareumgebung oder zur Erweiterung um eigene Softwarekomponenten) erforderlich ist.
Während der Laufzeit eines Wartungs- oder Pflegevertrags soll ein Herausgabeanspruch demgegenüber ausscheiden. Der Softwarehersteller behalte sich insoweit vor, Änderungen der Software oder die Beseitigung von Fehlern selbst vorzunehmen (BGH, Urt. v. 30.01.1986, I ZR 242/83). Dem Interesse des Kunden dürfte es wiederum entsprechen, eine Herausgabepflicht anzunehmen, wenn der Softwarehersteller - u.U. vertragswidrig - keine Wartung oder Pflege mehr vornimmt. Und die Herausgabe erforderlich ist, um bestehende Fehler beseitigen zu lassen oder notwendige Änderungen vorzunehmen.
Praxistipp für beide Parteien
Softwarehersteller und Webdesigner machen sich oft erst zu spät Gedanken über die Herausgabe des Quellcodes. In der Praxis stehe ich dann meist vor der undankbaren Aufgabe, den E-Mail-Verkehr nach Hinweisen zu durchsuchen, was die Parteien ursprünglich gewollt haben könnten. Mein dringender Rat: Halten Sie die Vereinbarungen zur Herausgabe des Quellcodes unbedingt schriftlich fest. So können Sie rechtliche Auseinandersetzungen im Vorfeld vermeiden.
Seit 2007 ist Rechtsanwalt Iven mit seinem Team als Einzelanwalt in den Rechtsgebieten des Internetrechts , Mietrechts , Arbeitsrechts und Verkehrsrechts tätig.
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![]() | von Rechtsanwalt René Iven u.a. spezialisiert auf Itvertragsrecht & Vertragsrecht, letzte Aktualisierung: 25.03.2015 |
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